Das Koalitionsrecht wird als Oppositionsrecht missdeutet und missbraucht



Die Herbstvollversammlung des Zentralkomitees billigte am 19. Nov. 1999 die Gründung mit rund 85 % der Stimmen. Sie rief „alle Katholikinnen und Katholiken in Deutschland auf, ‚Donum Vitae’ aktiv zu unterstützen“. „Donum Vitae“ sollte, so Waschbüsch, „Markenzeichen eines weltoffenen Katholizismus sein“ (Spieker, Kirche und Abtreibung in Deutschland S 196/197). Aber einige Mitglieder stellten kritische Fragen, z.B.: „ob es mit der kirchlichen Stellung des Zentralkomitees zu vereinbaren sei, dass Mitarbeiter, Sekretariat und Finanzen für die Gründung des Vereins „Donum Vitae“, für seine Propaganda und seine Spendenwerbung in Anspruch genommen werden; warum es nicht mehr wie in früheren Jahren auf die Widersprüche im Gesetz hinweise und den Gesetzgeber an seine Korrektur- und Nachbesserungspflicht erinnere; … und ob es nicht durch die unverantwortliche Kritik am Papst der Kirche in Deutschland erheblich geschadet habe?“ (Spieker, Kirche und Abtreibung S 198).Die Geschäftsstelle von „Donum Vitae“ befand sich bis Mai 2000 im Generalsekretariat des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Dessen Pressereferent nahm die Aufgaben des Pressesprechers für „Donum Vitae“ wahr, andere Mitarbeiter leisteten Planungs-, Werbe- und Büroarbeit für „Donum Vitae“’ (S 202). ‚Kirchenrechtlerin Demel berief sich auf „die Ekklesiologie des II. Vatikanischen Konzils, die einem „päpstlichen Totalitarismus“ entgegenstehe“ und behauptete: „Wenn die Laien „kraft des in Taufe und Firmung gründenden Priestertum aller Gläubigen“ handelten, seien sie „von der kirchlichen Autorität unabhängig“, könnten also fortfahren, den Beratungsschein auszustellen, den die Bischöfe nicht länger ausstellen dürfen (S 200). ‚Der Verein wurde „als Basis der Fortführung einer katholischen Schwangerschaftskonfliktberatung ausgegeben, in dem Katholiken „als Kirche“ handelten“. Die Katholiken, die „Donum Vitae“ gründeten, so Friedrich Kronenberg, handelten „zwar nicht im Namen der Kirche, aber doch im eigenen Namen als Staatsbürger, geleitet von ihrem christlichen Gewissen, gemeinsam und damit als Kirche“’ (S 202).
Dieser Sicht widerspricht der profilierte Münchner Kirchenrechtler Winfried Aymans in seiner Antwort (FAZ 13.12.2000) auf die Intervention prominenter Unionspolitiker gegen die Bischöfe (FAZ 17.11.00):

Keine Vereinigung, auch nicht eine mit kirchenamtlichem Sendungsauftrag betraute, nicht einmal der vorbildlichste Orden oder eine apostolisch hochengagierte Kongregation, ist Kirche. Von diesem Mißverständnis leben andere, die unter dem Schlachtruf "Wir sind Kirche" auftreten. Kirche ist nur die Gesamtkirche, die in und aus Teilkirchen besteht (Vaticanum II, Lumen gentium 23, 1), wo also die Communio mit Papst und Bischöfen in Wort und Sakrament gelebt wird. Das ist die Verfassungsstruktur der katholischen Kirche. Demgegenüber sind alle Initiativen und Vereinigungen von Gläubigen Wirklichkeiten in der Kirche. Sie können beitragen zum Aufbau und zum Leben der Kirche, dürfen sich aber nicht mit ihr verwechseln. Wovor die Autoren das Zentralkomitee der deutschen Katholiken in Schutz nehmen wollen, nämlich dem Vorwurf eines "Gegenlehramtes gegen den Papst", darin üben sie sich kräftig. …Das Koalitionsrecht des can. 215 steht in dem - so erstmals im Kirchenrecht formulierten - Statut der für alle Gläubigen (nicht nur für die Laien!) geltenden Rechte und Pflichten. Für die hier genannten Freiheitsrechte gelten natürlich bestimmte Rahmenbedingungen. Dazu gehört vor allem die Pflicht der Gläubigen, "auch im eigenen Verhalten immer die communio mit der Kirche zu wahren" (can. 209 Paragraph 1 CIC) und "was die geistlichen Hirten in Stellvertretung Christi als Lehrer des Glaubens erklären oder als Leiter der Kirche bestimmen, . . . im Bewußtsein ihrer eigenen Verantwortung in christlichem Gehorsam zu befolgen" (can. 212 Paragraph 1 CIC). Grundsätzlich haben sie "bei der Ausübung ihrer Rechte" … sowohl als einzelne wie auch in Vereinigungen auf das Gemeinwohl der Kirche, die Rechte anderer und ihre eigenen Pflichten gegenüber anderen Rücksicht (zu) nehmen" (can. 223 Paragraph 1 CIC). "Der kirchlichen Autorität steht es zu, im Hinblick auf das Gemeinwohl die Ausübung der Rechte, die den Gläubigen eigen sind, zu regeln" (ebd. Paragraph 2).“

Hiermit wird auch die gebetmühlenartige Berufung auf das „Koalitionsrecht“ der Gläubigen in Bezug auf den todbringenden Verein ad absurdum geführt. Donum vitae wahrt eindeutig nicht die „communio mit der Kirche“ sondern wurde von seinen Gründern bewusst und vorsätzlich von der Kirche gespalten und außerhalb das Kirchenrecht gestellt um eklatant gegen die Weisung des Papstes, also nicht „in christlichem Gehorsam“, sondern in Opposition zu den „geistlichen Hirten“ - Papst und Bischöfen - agieren zu können. So titelte der Dingolfinger Anzeiger: ‚„Donum Vitae bietet Bischöfen Stirn“. „Donum Vitae ist eine freie bürgerliche Vereinigung, der die Bischöfe keine Weisungen erteilen können“, betonte die Vorsitzende des bayerischen Donum-Vitae-Landesverbandes, Stützle. Theoretisch könne somit niemand Donum Vitae verbieten, auch in den Bistümern Eichstätt und Bamberg tätig zu werden. Die kritischen Äußerungen des Bamberger Erzbischofs Karl Braun und des Eichstätter Bischofs Walter Mixa fand sie bedauerlich. Braun und Mixa hätten offenbar Pflöcke einschlagen wollen, bevor die Vorschläge der eigens in München einberufenen kirchlichen Kommission für eine gemeinsame Linie der sieben katholischen Bistümer in Bayern vorlägen’ (DA 14.12.1999). ‚Trotz des Ausstiegs der Amtskirche aus der gesetzlichen Schwangerenkonfliktberatung beharren die katholischen Laien in Bayern auf eigenen Beratungsstellen. Bayerns Sozialministerin Barbara Stamm wies Erklärungen des Bamberger Erzbischofs Karl Braun zurück, katholische Laien dürften sich an dem Verein „Donum Vitae“ nicht beteiligen. Die päpstliche Weisung zum Ausstieg aus der kirchlichen Konfliktberatung gelte auch für die Laien, hatte Braun gesagt. Diese Äußerungen nannte Stamm eine „Diskreditierung der Laien“. Das Engagement bei „Donum Vitae“ könne niemandem verboten werden.’ (Diese Aussage mag zivilrechtlich richtig sein, kirchenrechtlich gesehen handelt es sich um eine vorsätzliche Desinformation.) Nach Auffassung Sutors erläuterte der Bamberger Erzbischof lediglich die amtskirchliche Position. Die Arbeit der Laien werde dadurch zunächst nicht behindert. „Wenn das aber eintritt, müssten wir ernsthaft miteinander reden.“’ (DA 08.04.2000), drohte der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern.

Somit wird hier ein doppelter Machtmissbrauch deutlich, zum einen bediente man sich in Opposition zur Kirche der Gläubigen und der Ressourcen (z.B. Kirchensteuermittel) der Laiengremien, zum anderen, unbeschadet aller staatlichen Sparmaßnahmen bis heute, durch den schamlosen Griff in die Staatskassen, der Bürger als Steuerzahler. Gleichzeitig strichen Regierungsmitglieder, die zugleich Donum Vitae-Gründungsmitglieder waren, den kirchlichen Beratungsstellen die Zuschüsse und behaupteten die Beratung ihres eigenen Privatvereins sei die katholische. Dazu Kardinal Meisner:

Die katholische Kirche hält ihre Beratungstätigkeit aufrecht. Es kann also nicht um das „katholische Element“ in der Beratung gehen, sondern um das im staatlichen System. Dieses aber stellt sich gegenwärtig als klassische „Struktur der Sünde“ dar, insofern es straffreie Abtreibung ermöglicht. Dass aber eine sündhafte Struktur ein katholisches Element braucht, bezweifle ich ebenso wie der Papst’ (MM-Verlag Aachen, April 2000).

‚Zum partnerschaftlichen Verhältnis von Kirche und Staat gehört, dass der Staat das Recht der Kirche anerkennt, so Art. 1 des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933, „innerhalb der Grenzen des für alle geltenden Gesetzes ihre Angelegenheiten selbständig zu ordnen und zu verwalten und im Rahmen ihrer Zuständigkeit für ihre Mitglieder bindende Gesetze und Anordnungen zu erlassen“. Papst Johannes Paul II. hat entschieden, dass der Beratungsschein in kirchlichen oder der Kirche zugeordneten Beratungsstellen nicht länger ausgestellt werden darf. Diese Entscheidung gilt nicht nur für die Bischöfe, sondern für alle Katholiken. Der Verein „Donum Vitae“ sieht seinen konstituierenden Zweck aber darin, die Entscheidung des Papstes zu unterlaufen und eine „katholische“ Beratung innerhalb der gesetzlich geregelten nachweispflichtigen Schwangerschaftskonfliktberatung fortzuführen. Indem der Staat diese Beratungsstellen anerkennt und fördert, missachtet er das Recht der Kirche, ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu ordnen, für ihre Mitglieder bindende Anordnungen zu erlassen und damit zu bestimmen, was katholisch ist und was nicht. Die Landesregierungen maßen sich an zu entscheiden, ob „Donum Vitae“ als Verein von Katholiken das katholische Element im pluralistischen Beratungsangebot verkörpert.“’ (Prof. Spieker S 249).

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