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      Mehr institutionelle Bescheidenheit
        
      Leserbrief zur Berichterstattung
      "Schwangerschaftskonfliktberatung/Ausstieg der katholischen Kirche aus dem
      staatlichen Beratungssystem": 
       
      Viele Frauen beziehungsweise Paare, die sich in einem Schwangerschaftskonflikt
      befinden, mutet die derzeitige Diskussion befremdlich an. Beim Abwägen von Für und
      Wider eines Schwangerschaftsabbruchs ist es für sie sekundär, ob die katholische Kirche im
      staatlichen Beratungssystem verbleibt oder nicht beziehungsweise ob - wie heuer im
      Frühjahr diskutiert - die sogenannte "Abtreibungspille" verfügbar ist oder nicht, denn im
      Vordergrund steht zunächst einmal das "Ob" und nicht das "Wie". Für uns ist vielmehr
      entscheidend daran zu arbeiten, ungewollte Schwangerschaften weitgehend zu
      verhindern beziehungsweise Bedingungen zu schaffen, die es möglichst vielen Frauen/Paaren
      ermöglichen, ihr Kind zur Welt zu bringen, anstatt es abzutreiben. Darum,
      und um nichts anderes, geht es! Wenn alle, die sich in den letzten Monaten engagierten, diskutierten
      und kommentierten, sich dieses Zieles angenommen hätten, wäre dem Schutz des
      ungeborenen Lebens ein größerer Dienst erwiesen worden. 
       
      Es ist bedauerlich, dass in der aktuellen Debatte nur die kirchliche Beratungstätigkeit
      im Vordergrund steht und staatliche sowie andere freie Beratungsstellen, die sich in
      gleicher Weise dem Schutz des ungeborenen Lebens verpflichtet fühlen, kaum Erwähnung
      finden. Wir hoffen, dass hinter der Aussage,  man dürfe durch den Ausstieg der
      katholischen Kirche aus der staatlichen Schwangerenberatung "nicht anderen das Feld überlassen",
      die Sorge steht, das weltanschaulich plurale Beratungsangebot nicht mehr
      sicherstellen zu können, und nicht Zweifel an der qualifizierten Beratung und ebenso ethisch
      fundierten Tätigkeit anderer Träger. Der Aachener Bischof befürchtet ja sogar, bei einem
      Ausstieg der katholischen Kirche werde es in einigen Jahren keinen Schutz mehr für
      ungeborene Kinder geben! Hier wäre etwas mehr institutionelle Bescheidenheit und größeres
      Vertrauen in die qualifizierte Beratungstätigkeit der anerkannten Beratungsstellen der
      anderen freien und öffentlichen Träger angezeigt. 
       
      Weiterhin ist man aufgrund vieler Presseberichte geneigt zu glauben, Frauen im Konflikt
      suchen überwiegend katholische Beratungsstellen auf; das ist - auch in Bayern - bei
      weitem nicht so. Von den zirka 22000 Schwangerschaftskonfliktberatungen in
      Bayern im Jahre 1998 fanden drei Viertel in Beratungsstellen anderer freier und öffentlicher Träger statt. Die meisten Frauen und
      Männer, die eine Konfliktberatung in Anspruch nehmen, haben sich vorher einer
      Entscheidung angenähert oder sogar schon einen Entschluss - in die eine oder
      andere Richtung - gefasst, auch wennhäufig noch Unsicherheiten, Zweifel und Ängste vorhanden sind.
      Geht diese bewusst oder unbewusst getroffene Entscheidung in Richtung Fortsetzung der
      Schwangerschaft, nehmen Frauen/Männer eher katholische Beratungsstellen in
      Anspruch (aus diesem Grunde ist es unseres Erachtens auch wichtig, dass dieses Angebot
      weiter besteht!), weil gemeinhin angenommen wird, dass die katholischen
      Beratungsstellen vom ideologischen Hintergrund her eher diese Entscheidung fördern. Geht der
      Entschluss jedoch deutlich in Richtung Schwangerschaftsabbruch oder ist er
      beschlossene Sache, wenden sich daher viele an Beratungsstellen anderer freier und öffentlicher Träger. Diejenigen, die die katholischen
      Beratungsstellen am dringendsten erreichen möchten, gehören also nicht zu ihrem
      Hauptklientel. 
       
      Staatliche Schwangerschaftsberaterinnen 
      Aus: SZ, 9.Oktober 1999 
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